Ein unvergesslicher Ausflug nach Chamonix
Alles nahm seinen Anfang am 10. Januar dieses Jahres. Die Bekanntgabe der Auslosung des UTMB 2019 stand an. Und ich bekam ein „oh non!“. Zu diesem Zeitpunkt ging ich noch davon aus, dass es meinen Teamkollegen Basti, Flo und Michele genau so ergangen war und ich schwankte zwischen Erleichterung und Enttäuschung. Erleichterung, weil ich mich nach dem möglichen Zieleinlauf am 1. September nicht abhetzten müsste um rechtzeitig zum ersten Schultag meines Sohnes am 2. September wieder in Wien zu sein, Enttäuschung natürlich, weil wir nicht gezogen wurden und es erst im nächsten Jahr wieder versuchen können. Dann erfuhr ich, dass 2 aus unserem Team, Flo und Bast, ein „oui“ in der Auslosung bekommen hatten und somit startberechtigt waren. Doch wie war das möglich? Die Regularien des UTMB sagen klar, bei einer Anmeldung im Team ist nur das selbe Ziehungsergebnis für alle Teammitglieder möglich. Also alle „oui“ oder alle „non“. Nach einiger Konversation zwischen Hoffen und Bangen mit dem Veranstalter war klar: Wir dürfen nicht als Team starten. Es gab ein Fehler bei der Auslosung. Flo und Basti verzichteten dann auch auf ihr Startrecht. Aber der Groll auf die Veranstalter war natürlich da. Und aus diesem Groll entstand dann etwas wunderbares. Nämlich die Idee eines autonomen UTMB. Die Strecke ist ja da, man kann sie jederzeit laufen. Also machten wir uns an die Planung. In einer ersten Besprechung zwischen Basti und mir wurde klar, ein autonomer Lauf über 170 km mit 10000 Höhenmetern wird kein Spaziergang. Vor allem die Versorgung in der Nacht und auf den letzten Kilometern der Runde würde eine Herausforderung werden, die Laufrucksäcke mussten entsprechend groß dimensioniert sein um Verpflegung für einen angepeilte Laufzeit von 40 Stunden oder mehr aufnehmen zu können. In einem zweiten Treffen zu viert verfeinerten wir die Strategie, mindestens ein Auto sollte als Zwischenstation irgendwo am Weg stehen, die Möglichkeit Dropbags in Ortschaften zu deponieren sollte noch ausgekundschaftet werden. Aber dann kam alles anders. Durch eine glückliche Fügung des Schicksals hat sich für den lieben Peter ein offenes Terminfenster an unserem ersten favorisierten Termin ergeben und so hat er sich dankenswerterweise bereit erklärt uns als Crew zu unterstützen. Und ich will nicht zuweit vorgreifen, aber er hat es fantastisch gemacht. Hier schon mal ein großes „DANKE PETER“ (Es folgen da noch ein paar ;-))
Also machten sich am Donnerstag den 04.07. 4 Protagonisten, 3 Läufer und ein Peter auf den Weg per Flugzeug nach Genf um dort den 5. Mann zu treffen, der beruflich schon vor Ort war. Alles lief glatt und so war das Team am Vormittag in Genf vereint. Im geliehenen Citroën Spacetourer ging es Richtung Chamonix. Schon auf der Autobahn war die Kulisse atemberaubend und auch der Mont Blanc ließ sich schon ab und zu blicken. Gewaltig. In Chamonix angekommen schlendert wir erst einmal durch den Ort, aßen zu Mittag und bezogen dann unser Quartier mitten im Ortskern mit Blick auf den höchsten Berg Europas. Irre. Wetterberichte wurden fast stündliche gecheckt, die Vorbereitungen spitzten sich langsam zu. Aufgrund der Wettersituation wollten wir im Gegensatz zum „echten“ UTMB am Morgen starten. Am Nachmittag des zweiten Tages waren Gewitter möglich und da wollten wir dann schon so weit wie möglich sein. Nach einer letzten Henkersmahlzeit (Nudeln, was sonst) gab es noch ein Pre-„Race“ Bier im Quartier und ab ging es in eine unruhige Nacht mit Ende um 4:30 Uhr.
Ein Bad in Hirschtalg, anziehen, frühstücken, restliche Sachen packen… Alles a bissl verschwommen so im Rückblick. Ich war wohl fokussiert. Um 5 nach 6 fiel der imaginäre Startschuss und zu fünft machten wir uns auf, den höchsten Berg Europas in einem Stück zu umrunden. JA, ihr lest richtig, wir liefen zu fünft los. Peter wollte uns begleiten bis Les Houches, der ersten offiziellen Labe. Wir waren froh, dass es endlich los ging, teilweise wurde uns sogar zugejubelt. Von weiblichen Passanten, von jugendlichen Campern… ja, das wars eigentlich. Zuerst durch Chamonix auf Asphalt, dann auf einer Schotterstraße ging es wellig die ersten knapp 7 km nach Les Houches, wo Peter dann umdrehte um das Auto zu holen und wir uns in den ersten Anstieg des Tages begaben. Die Sonne schien, es war noch schön kühl und alles war paletti. Die Stimmung war gut und wir brachten die ersten Höhenmeter hinter uns. Auf 6 km immerhin ein bisschen mehr als 800. Alles in traumhafter Kulisse. Was weniger traumhaft war, waren die Bremsen, die versuchten uns das Blut auszusaugen. Aber auch das ließ mit zunehmender Höhe nach und schon bald zeigte der Höhenmesser 1800 m am Col de Voza und es ging in den ersten, gut zu laufenden Downhill. Ha, das machte Spaß. So konnte es weiter gehen. In Saint Gervais erwartete uns Peter dann mit der ersten Auto Labe. Aber vorher haben wir uns im Ort noch ein paar mal verlaufen. Auch so ein Punkt bei autonomen Geschichten. Die Navigation darf man nicht unterschätzen, sag ich euch. Wie verließen uns zusätzlich zu den GPS Tracks auf den Uhren noch auf die Ortovox Bergtouren App. Hat im Prinzip super funktioniert, man muss aber halt auch rechtzeitig aufs Handy schauen :-D. Aber schlussendlich fanden wir Peter nach ca 21 km und 3h. Und der hatte aufgefahren, Wahnsinn. Wirklich ein Glück für uns, ihn an Bord zu haben. DANKE PETER. Wir füllten unsere Vorräte wieder auf und schickten Peter noch mal ins Quartier, er hatte ein bisschen was vergessen, ich auch, und so lohnte sich die Fahrt wenigstens. Wir liefen derweil weiter Richtung Les Contamines, der nächsten Labe in ca. 10 km Entfernung. Es ging recht gemütlich an einem Fluss entlang, oft angenehm im Schatten, vieles war zum Laufen und immer wieder ergaben sich spektakuläre Ausblicke auf die umliegenden hohen Berge. Und unser Basti, der pushte. Hielt das Tempo hoch und sorgte im restlichen Feld schon etwas für Verwunderung. Immerhin ist er als Mr Deffensiv bekannt. Aber wenns läuft soll man es ja bekanntlich laufen lassen. Und so erreichten wir Les Contamines nach 5 Stunden und damit etwa 1 Stunde vor der imaginären Karenzzeit des UMTB. Vor einem Spar Markt hatte Peter schon alles für uns hergerichtet. Also schnell Flaschen auffüllen, ein bisschen vorzügliches Buffet genießen und schon machte Flo wieder Druck, wir sollten nicht zu lange an den Laben vertrödeln. Was für eine Hektik. Weiter ging es also bis an das Ende des Tales, wo der zweite Anstieg des Tages auf uns wartete. Und wieder waren wir schnell. Schneller sogar als Peter. Aber wir mussten nicht lange warten und schon war er da. Jetzt hieß es für uns noch einmal richtig gut verpflegen, denn mit dem Croix du Bonhomme wartete der erste richtige Anstieg auf uns. etwa 1300 Höhenmeter auf gut 9 km. Wir luden also nochmal alles auf, steckten auch unsere Grödel ein, denn es sollte Schnee auf uns warten, und los. Es ging auch gleich voll zur Sache. Aber unsere Stimmung war noch hervorragend. Nach 7 Stunden waren die ersten 40 km erledigt. Und nach einer kleinen Klopause für Michele machten wir uns an die letzten 700 Höhenmeter hinauf über den Col du Bonhomme zum Croix du Bonhomme. Die Überquerung der Schneefelder machte uns auch ohne Grödel keine Probleme und gebremst haben sie uns eigentlich auch kaum, so dass wir den Croix du Bonhomme nach knapp 9 Stunden Laufzeit überschritten hatten. Auf der gleichnamigen Hütte genehmigten wir uns dann ein Radler was den Abstieg hinunter doch etwas beschwingte. Vor allem unsere Bergziege Basti war nicht zu stoppen. In Les Chapieux erwartete uns dann wieder unsere Deluxe Labe. Diesmal hatte Peter für uns OLIVEN besorgt. Man, waren die lecker. DANKE PETER! Und auch sonst gab es eigentlich alles was das Läuferherz begehrt. So gestärkt, nach einer halben Stunde Pause und mit immer noch mehr als einer Stunde Vorsprung auf die imaginäre Karenzzeit nahmen wir den nächsten großen Brocken in Angriff. Den Col de la Seigne. 1000 Höhenmeter auf 11 km. Nicht gerade sehr steil und normalerweise gut zu gehen. Wäre da nicht die Hitze und die pralle Sonne, der wir ausgesetzt waren. Flo und ich vertrieben uns die Zeit mit Fußball Diskussionen, Michele, im Maschinen-Modus vorneweg und Basti hinter uns, bereits deutlich von den bisherigen Strapazen gezeichnet. Irgendwie für uns alle etwas überraschend, denn bis jetzt hatte sich die Ziege doch bärenstark präsentiert. Deswegen machte ich mir auch noch keine allzu großen Gedanken. Normalerweise hat Basti große Combacker Fähigkeiten, wie er schon mehrmals bewiesen hatte. Des weiteren näherten wir uns mit großen Schritten dem Abend und somit waren kühlere Temperaturen und bessere Bedingungen zum Laufen in Sicht. Oben am Col de la Seigne angekommen kündigten sich diese kühleren Temperaturen bereits an was mich persönlich eher froh stimmte. Die Hitzeschlacht bergauf war nun auch nicht meines. Aber verglichen mit Basti ging es mir noch tiptop. Nur ein kleiner Downhill erwartet uns nun bevor wir uns auf dem Weg zum Col des Pyramides Calcaires machten, der letzten Erhebung vor dem nächsten Downhill, vor unserer nächsten Labe und vor Einbruch der Dunkelheit. Auf diesem Stück, etwa so 9 km sollte uns noch so einiges erwarten. Z.B. schon mal der Weg hoch zum Col. Die Abzweigung kaum markiert, genau so wie der Weg. Über Geröllfelder, nicht sehr angenehm zu gehen. Und oben angekommen war schon die nächste Überraschung im Blick. Ein riesiges Schneefeld, das zur Querung anstand. Jetzt waren auf jeden Fall Grödel Pflicht. Wenigstens nicht ganz umsonst mitgeschleppt, die Dinger. Michele, Flo und ich hatten die Leichtsteigeisen schnell angezogen. Anders Basti. Ein Huf schaffte er allein. Beim zweiten brauchte er, auch dank eines kleinen Krampfes, die Hilfe von Flo und von mir. Und dann ging es an den Abstieg. Der Schnee war sehr weich, so dass die Grödel nicht sehr viel Halt brachten und so war aufpassen angesagt. Immer wieder mussten wir auch nach dem großen Schneefeld noch kleiner queren und hatten die Grödel dann bis zum Refugio Elisabetta an den Füßen. Dazwischen lag noch eine faszinierende Begegnung mit ein paar Steinböcken, die wir fast vom Trail verscheuchen mussten. Während ich vor der Hütte mit ein paar Leuten quatschte, die fragten was wir denn so machen, kümmerten sich die anderen drei derweil um Verpflegung. Denn eigentlich erwarteten wir hier unseren Peter. Leider hatten wir auch sehr schlechten Handy Empfang, so dass wir ihn auch nicht erreichten. Basti hatte derweil seine eigene Entscheidung getroffen. Er wollte abbrechen. Ufz. Das war mal eine miese Nachricht. Natürlich muss man bei so einem langen Trail mit allem rechnen, auch damit, dass man nicht durch kommt. Und im Vorfeld war für mich eigentlich immer klar, dass ein Abbruch eines Teammitgliedes im Ende des gesamten Unternehmens endet. Trotzdem versuchten ich und Flo Basti noch einmal zum weitermachen zu überreden. Und Basti versuchte uns im Gegenzug dazu zu überreden doch weiter zu machen. Ohne ihn. Aber das kam für uns nicht in Frage und wäre auch ganz sicher nicht das selbe gewesen, wie die Geschichte als 4er Team mit Unterstützung von Peter zu biegen. Inzwischen hatten wir auch Peter erreicht und erfahren, dass er nur etwa 3 km von uns entfernt stand. 3 km die wir mit weiteren Diskussionen verbrachten. Aufhören oder weitermachen. Und so weiter und so weiter. Lange Diskussion, kurzer Sinn. Wir waren hier als Freunde angetreten. Angetreten um ein Abenteuer zu erleben. Wir hatten einen wundervollen Tag. Draußen, in den Bergen. Mit unseren Freunden. Das ist es worum es uns ging. Nicht um 170 km oder um sonst irgend was. Das Finish ist uns versagt geblieben aber dafür haben wir was anderes herausgefunden. Wir haben herausgefunden, das wir als 5er Team ausgezeichnet harmonieren. Auf dem Trail und auch daneben. In der Organisation eines solchen Abenteuers und auch währenddessen kann sich jeder auf den anderen verlassen. Und mit diesen Erkenntnissen endete unsere Reise rund um den Mont Blanc bereits nach 70 km am Lac Combal. Aber wir sind uns sicher, dass das nur der Anfang war. Der Anfang von noch viel mehr solcher Abenteuer die noch vor uns liegen. Deswegen gilt mein ganz großer Dank allen Teilnehmern. Basti, Flo, Michele, Peter. Ihr habt diese 6 Tage in und um Chamonix zu etwas ganz besonderem gemacht. Daran werde ich mich noch lange erinnern. Danke.
Wenn ihr hören wollt, was wir zu der ganzen UTMB ohne UTMB Sache noch zu sagen hatten, kann ich euch nur den Podcast von Flo & Peter ans Herz legen. Da waren die Eindrücke noch ganz frisch und wir haben alles noch direkt in Chamonix aufgenommen. Hier zum nachhören. http://laufendentdecken-podcast.at/063/
Und auch die Shownotes sind natürlich einen Blick wert. DANKE für diese schönen Erinnerungen FLO & PETER
Nach einem Ruhetag am Samstag schnürten wir Sonntag schon wieder die Trailschuhe um eine kleine, wundervolle Runde zu drehen. Und auch am Montag genossen die verbliebenen 4 Trailer (Peter reiste leider schon morgens ab) die Wege rund um Chamonix mit Blick auf den höchsten Berg Europas. Und so hatte dann unser Ausflug am Ende auch 105 Laufkilometer und rund 7000 Höhenmeter zu bieten. Nicht ganz was wir uns erhofften, aber trotzdem extrem lässig.
Hier noch ein paar Impressionen von unserem Trail-Abenteuer.
[…] nie so weit gelaufen ist vorher, und ich bzw wir doch ein bisschen was bei ihm gut hatten (siehe UTMB ohne UTMB) , wollte ich mich noch mal ein bisschen zusammenreißen und ihn auf seiner Mission begleiten. […]