Transvulcania

13. Mai 2017. Der Wecker klingelt um 2:00 Uhr Nachts. Vielmehr, er vibriert an meinem Handgelenk. Gebraucht hätte ich ihn nicht. Ich war wach. Sowas von wach. Bereit war ich irgendwie nicht.

Nach dem doppelten Vienna-City-Marathon quälten mich Läuferknie Probleme. In der Woche vor unserem Abflug nach La Palma so stark, dass ich einen Lauf in die Arbeit nach 9 km abbrechen musste. Keine guten Voraussetzungen für einen Ultra, der 4300 Höhenmeter aufwärts und 4000 Höhenmeter abwärts auf 75 km konzentriert. Aber was solls. Alles war gebucht wir waren sowieso da und dann stellt man sich auch an die Startlinie. Denn eigentlich kann man ja jederzeit aufhören. Die längste Distanz zwischen 2 Verpflegungspunkten war 11 km. Das kann man notfalls auch humpeln. Und so absolvierte ich 8 Tage vor der Transvulcania keinen Lauf mehr, schmierte Voltaren und hoffte.

Ich traf mich dann bereits Donnerstag mit Bert, Flo und Manuel vom Twitterlauftreff auf der Messe um die Startnummer abzuholen. Nach einem kurzen Plausch und einem gemeinsamen Foto trennten sich unsere Wege wieder. Ich war ja mit Familie unterwegs. Und so blieb mir nur noch kurz Zeit, den Zieleinlauf für Samstag zu begutachten. Nicht ahnend, was mich dort dann wirklich erwarten würde. Aber der Reihe nach, zurück zum Wecker.

Also erstmal Kaffee, alles Vorbereitete anziehen, alles andere zusammenpacken und gemütlich zur Bushaltestelle schlendern. Abfahrt pünktlich 3:30 Uhr. Im Bus spielt’s „Highway to Hell“, da wollt ich schon fast wieder aussteigen. Also Ohrenstöpsel rein, noch ein bisschen relaxen bis zur Ankunft am Start in Fuencaliente. Aber gar nicht so einfach, die Sache mit dem relaxen. Dort angekommen spuckten unzählige Busse noch mehr Läufer aus, die sie von allen Ecken der Insel zusammengekarrt hatten. Ein kleiner Spaziergang und ich war beim Leuchtturm angekommen. Dort traf ich dann noch Manuel und Flo und gemeinsam machten wir uns auf, nach der Ausrüstungskontrolle im Startblock Aufstellung zu nehmen. Die 30 Minuten bis zum Start vergingen langsam, wir verstanden kein Wort der spanischen Ansagen und so waren wir hoch erfreut als um Punkt 6:00 Uhr der Startschuss fiel. Ein kleiner Anstieg, ein Runde um den Leuchtturm und schon gings auf den Trail. Und da hieß es erstmal anstellen. Blockstarts wären hier vielleicht angebracht. Flo und ich hatten aber eh keine Zeit Ambitionen und so nahmen wir es locker und erfreuten uns am Anblick der Stirnlampen Rückleuchten vor uns. Auf dem Weg zur ersten Verpflegung in Los Canarios mussten wir uns dann noch einmal anstellen. Auf den flacheren Passagen zuvor merkte ich schon wieder mein Knie und so nutzte ich die unfreiwillige Pause um meinen neu erstandenen IT Band Strap anzulegen, in der Hoffnung wenigstens bis ins Halbmarathon Ziel zu kommen. Bergauf lief es eigentlich wirklich gut, ich hatte keine Schmerzen und fühlte mich gut. Aber sobald es flach wurde spürte ich das Knie. Bergab sowieso. Die fantastische Stimmung in Los Canarios an der ersten Verpflegung brachte mich dann auf andere Gedanken. Was war da los? Ein Wahnsinn. Man lief durch einen Korridor von Zuschauern wie man es sonst nur von einer Bergetappe der Tour de France kennt. Unfassbar. Erster Gänsehaut-Moment nach 7 km. Für die wir ganz nebenbei 1h25min gebraucht hab. Puh. Und weiter gings. Jetzt schon ohne Stirnlampe, und bald waren wir dann auch zu dritt. Von hinten gesellte sich Bert noch zu uns und so genossen wir die unglaublichen Ausblicke die sich uns bereits jetzt schon boten, quatschten über dies und das und fragten uns was uns wohl noch erwarten werde an diesem Tag. Vor der zweiten Verpflegung liefen wir dann über schwarze Lavafelder, durchzogen von gelbgrünen Bäumen, alles auf feinsten Single Trails. Und nach knapp 18 km hatten wir schon gut 2000 Höhenmeter in den Beinen. Dann begann für mich der etwas zähe Teil bis zum Halbmarathon Ziel. Im Downhill hatte ich wirklich ärgere Probleme mit dem Knie, Flo und Bert machten sich derweil ohne mich auf und ich quälte mich unter Zuhilfenahme meiner Stöcke den Berg hinunter und war um jeden kleineren Anstieg froh. In diese Passage schwanden meine Aussichten auf ein Finish ehrlich gesagt stark zusammen. Die Stimmung im Refugio El Pilar und der Umstand, dass Flo und Bert auf mich gewartet hatten, stimmte mich wieder etwas zuversichtlicher. Wir liefen nun weiter auf einer Forststraße, und es ging langsam in die Wolkenschicht hinein, die sich mittlerweile gebildet hatte. Auf dem Weg zum nächsten Verpflegungspunkt unterhielt ich mich dann ein bisschen mit einem fränkischen Landsmann. Auch da ging es zügig voran und die Unterhaltung lenkte etwas vom schmerzenden Knie ab. Die erste längere Downhill Passage war nun nämlich auch überstanden, auf uns wartete der Anstieg zum Roque de los Muchachos. Nochmal 1000 Höhenmeter netto nach oben. Na wenigstens damit hatte ich an diesem Tag keine Probleme. Zuerst ging es durch Regenwald ähnliche Wälder, es war nebelig und angenehm kühl und Höhenmeter zogen so dahin. Aber irgendwann hatten wir die Wolkenschicht unter uns gelassen, strahlender Sonnenschein, unglaubliche Ausblicke aber natürlich auch Hitze waren die Belohnung für die gemachten Höhenmeter. In der Ferne zeigten sich schon die Observatorien des Roque de los Muchachos und wir erhielten einen kleinen Eindruck davon, wie lange unser Weg an diesem Tag noch sein würde. Denn auf dem Weg zum nächsten VP überquerten wir erstmal die Halbzeit Marke, am VP dann die virtuelle Marathon Ziellinie. 7h50min. Für einen Marathon. Da weiß man gleich Bescheid. So langsam besserte sich auch mein Knie. Vielleicht schüttete mein Körper jetzt schon mehr schmerzstillende Substanzen aus, oder er hatte bereits aufgegeben mich vom Finish abhalten zu wollen, keine Ahnung. Es heißt ja immer: Ultras läuft man mit dem Kopf. Das ist ganz praktisch wenn die Haxen nicht ganz einwandfrei funktionieren. Also weiter machen. Und zu dritt ging das ganze nochmal etwas leichter. Inzwischen wurde uns langsam klar, dass wir das Ding wohl gemeinsam zu Ende bringen werden. Keiner machte irgendwelche Anstalten davon zu ziehen, kleinere Abstände wurden an den VPs wieder geschlossen. Also machten wir uns auch auf die letzte Etappe hinauf zum höchsten Punkt der Insel zu dritt auf den Weg. Bis zum Gipfel waren es noch 9,5 km, rund 400 Höhenmeter und eine Getränkestation war noch dazwischen. Hörte sich am Papier eigentlich nicht so schlimm an. Zog sich aber dann doch noch ganz schön bis wir doch endlich am Gipfel der Transvulcania standen. Und endlich gab’s mal was gescheites zum Essen. Nudeln mit Gemüse. Gewürzt mit Salztabletten eines anderen Teilnehmers. Danke für die edle Spende. Die bisherigen Verpflegungen waren nämlich nicht gerade üppig. Salziges fehlte für Vegies total. Es gab nur Schinken Käse Sandwiches. Sonst ein bisschen Obst, Nüsse und Getränke. Sehr überschaubar. Noch schnell ein Bild vom unschlagbaren Twitterlauftreff Triumvirat und ab ging’s Richtung Tazacorte. 17 km bergab. Von 2420 Metern hinab auf Seehöhe. Was sich furchterregend liest war in Wirklichkeit noch viel schlimmer. Das Knie war zum Glück stabil, also ging’s runter. Und runter und runter. In allen Variationen. Felsen, Trails, Straßen, Wege. Es hat nichts gefehlt. Zum Abschluss gab es dann noch einmal 300 Höhenmeter auf knapp 1 km auf einem unebenen Serpentinenpfad hinunter zu laufen, das Ende der Bergab-Tortur, Tazacorte, immer fest im Blick. Dieser Downhill hat uns gebrochen. Und nicht nur einmal. Wir kamen in Stücken unten an. Hier in Tazacorte war dann auch schon ein Ziel aufgebaut. Leider war es das des Marathons. Für uns ging es nach einer kurzen letzten Stärkung verschärft Richtung Ziel in Los Llanos. Noch einmal 5 km und 300 Höhenmeter nach oben bis ins Ziel. Zuerst durch ein ausgetrocknetes Flussbett, dann ein letzter steiler Anstieg durch Bananen-Plantagen und hinein nach Los Llanos. Auf der Hauptstraße begaben wir uns, angetrieben von Bert sogar noch einmal in den Laufschritt und wurden von wirklich jedem angefeuert, egal ob er in einer Kneipe saß, auf dem Heimweg war oder einfach so auf der Straße stand. Unfassbar. Das ganze wurde dann noch vom Zielkanal übertroffen. Die Zuschauer feierten hier wirklich jeden Finisher wir einen Sieger. Und ich fühlte mich auch wie einer. 15h16min für 74 km. Was für ein unglaubliches Brett, diese Transvulcania. Meine Begleiter Flo und Bert standen ebenfalls mit offenen Mündern im Ziel. Glücklich über das Geschaffte, überwältigt von den Eindrücken, die uns dieser lange Tag beschert hatte.

Der Rest ist schnell erzählt. Umziehen, Zielbier und ab mit dem Bus zurück in die Unterkunft, in der ich um 1:20 ankam. Fast 24 h auf den Beinen und um einige Erfahrungen reicher schlief ich grinsend ein.

Jetzt weiß ich was es bedeutet einen Skyultra der Skyrunner World Series zu laufen. Nicht umsonst treffen sich bei diesen Rennen die Besten der Welt. Diese Vulkaninsel hat mir wirklich alles abverlangt. Es war unglaublich hart, aber auch unglaublich schön. Momente, für die sich all das Training rentiert. Und trotz der perfekten Organisation, der unglaublichen Strecke und der der tollen Begleitung die ich hatte, habe ich etwas zu meckern. (Ich bin halt etz wohl doch schon langsam ein Wiener). Bei den Verpflegungsstellen wurden ausschließlich Einwegbecher verwendet. Pappe oder Plastik. Es wurden an die Läufer ganze Gatorade Plastik Flaschen verteilt, die diese dann reihenweise nach ein paar Schlucken einfach in die atemberaubende Natur warfen. Auch endlos viele Riegel- und Gelverpackungen säumten den Trail. Ein, für so eine Veranstaltung absolut unrühmliches Bild. Das habe ich schon deutlich besser gesehen.

Trotzdem kann ich die Transvulcania nur empfehlen. Ein absolut forderndes Rennen in einer atemberaubenden Kulisse. Irgendwann werde ich vollständig fit hierher zurückkehren, versuchen eine gute Zeit zu laufen und meinen Frieden mit diesem Monster Downhill schließen. Irgendwann…

Hier noch ein paar Impressionen von Unterwegs.

https://goo.gl/photos/efiHj7Z8aNbmftxW6

Und hier noch die Daten des Rennens

 

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